“Hand­gif­ten­re­de 2018” von Fritz Brickwedde

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Zu Beginn eines jeden Jah­res tref­fen sich die Mit­glie­der des Rates der Stadt Osna­brück im Frie­dens­saal, um sich die Hand zu rei­chen, am soge­nann­ten “Hand­gift­en­tag”. Der Ober­bür­ger­meis­ter und die Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den geben einen Rück­blick auf das letz­te und einen Aus­blick auf das begon­ne­ne Jahr. Hier kön­nen Sie die Rede von unse­rem Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Dr. E.h. Fritz Brick­wed­de als PDF her­un­ter­la­den oder lesen:
Hand­gif­ten­re­de 2018 von Fritz Brickwedde
1.
2018: Vor 400 Jah­ren begann der Drei­ßig­jäh­ri­ge Krieg.und vor 100 Jah­ren ende­te der Ers­te Weltkrieg.
Vor 100 Jah­ren begann aber auch die ers­te Deut­sche Repu­blik, benannt nach der Natio­nal­ver­samm­lung von Wei­mar. Wie­viel Leid wäre unse­rer Nati­on und vie­len Völ­kern erspart geblie­ben, wenn die­ser ers­te schwarz-rot-gol­de­ne Ver­such gelun­gen wäre! Der Drei­ßig­jäh­ri­ge Krieg war auch stark von den Gegen­sät­zen der Reli­gio­nen bestimmt. Heu­te bekämp­fen sich die mus­li­mi­schen Kon­fes­sio­nen wie sei­ner­zeit die christ­li­chen. Der Ers­te Welt­krieg war vom Natio­na­lis­mus, den Gegen­sät­zen der Natio­nen bestimmt. Im Zwei­ten Welt­krieg kamen der Ras­sis­mus sowie tota­li­tä­re Ideo­lo­gien hin­zu. Osna­brück und Müns­ter ste­hen wie kei­ne ande­re Stadt in Deutsch­land für das The­ma Krieg und Frieden.
Was sind unse­re Osna­brü­cker Ant­wor­ten auf die Jah­res­ta­ge der Kriege?
- Osna­brück bekennt sich zum Inter­re­li­giö­sen Dia­log. Wir haben Respekt vor jeder fried­lie­ben­den Reli­gi­on. Osna­brück ist tole­rant. Die drei abra­ha­mi­ti­schen mono­the­is­ti­schen Welt­re­li­gio­nen Juden­tum, Chris­ten­tum und Islam ken­nen Tren­nen­des, aber auch viel Gemein­sa­mes. Wir wol­len fried­lich zusam­men­le­ben und sind inter­es­siert aneinander.
Osna­brück steht gegen Natio­na­lis­mus, Popu­lis­mus und Impo­nier­ge­ha­be. Wir ste­hen für ein Euro­pa der Viel­falt und der Ach­tung jeder Nati­on. Wir wer­den das mit einem gro­ßen Euro­pa­kon­gress demonstrieren.
Osna­brück lehnt jede Über­heb­lich­keit gegen­über ande­ren Völ­kern und Ras­sen ab. Jeder Ras­sis­mus ist die­ser Stadt fremd. Unse­re Ant­wort in 2018/19 wird u. a. das neue Hans-Cal­mey­er-Haus sein.
2.
Der Ton in unse­rem Land ist rau­er und unver­schäm­ter gewor­den. Belei­di­gun­gen und Lügen bestim­men man­che Inter­net­fo­ren. Anonym, aber zum Teil auch mit Klar­na­men geht es aggres­siv zur Sache. Dazu passt das Han­dy­fil­men bei Unfäl­len bis hin zur Blo­cka­de von Ret­tungs­fahr­zeu­gen durch Schaulustige.
Wir brau­chen neben gesetz­li­chen Regeln auch einen Kon­sens über demo­kra­ti­sche Kul­tur und bür­ger­li­chen Anstand. Zu die­sen zivi­len Kon­di­tio­nen gehö­ren z. B. Respekt, Mit­ge­fühl, Auf­rich­tig­keit, Ver­zicht auf Krän­kung, Höflichkeit.
Dem „Das wird man doch noch mal sagen dür­fen“, set­zen wir ein „Das gehört sich nicht“ ent­ge­gen. Auch in der Poli­tik darf es Manie­ren geben.
Mit der Ver­ro­hung der Spra­che beginnt der nega­ti­ve Trend jeder Gesell­schaft. Auch die aktu­el­len Äuße­run­gen von Frau v. Storch und Frau Wei­del erschre­cken mich wegen ihrer Aggres­si­vi­tät und sprach­li­chen Ver­ro­hung. Das ist das Gegen­teil von bür­ger­lich und konservativ.
Osna­brück ist die ein­zi­ge Groß­stadt in Deutsch­land, in der die AFD weder bei Kommunal‑, Land­tags- oder Bun­des­tags­wah­len Kan­di­da­ten auf­stel­len konn­te. Unse­re Bür­ge­rin­nen und Bür­ger leh­nen die­sen Kurs jen­seits des Anstands ab. Osna­brück steht für Maß und Mit­te, nicht für das Spal­ten und Auf­het­zen. Osna­brück und Müns­ter: die Städ­te des West­fä­li­schen Frie­dens hat­ten bun­des­weit die schlech­tes­ten Wahl­er­geb­nis­se für die AFD. Dar­auf kön­nen wir gemein­sam stolz sein.
Das heißt kei­nes­falls, dass wir die Sor­gen vie­ler Wäh­ler nicht ernst neh­men wür­den. Bund, Land und Stadt müs­sen die Sicher­heit unse­rer Bür­ge­rin­nen und Bür­ger gewähr­leis­ten. Da sind auch schwe­re Feh­ler gemacht wor­den, die sich nicht wie­der­ho­len dür­fen: bei Kon­troll­ver­lus­ten an der Gren­ze, in der Köl­ner Sil­ves­ter­nacht oder beim Fall Amri.
Der bes­te Osna­brü­cker Bei­trag, um Flucht­ur­sa­chen zu bekämp­fen, wäre eine Städ­te­part­ner­schaft mit einer Uni­ver­si­täts­stadt in einem armen afri­ka­ni­schen Land wie z.B. Äthio­pi­en. Wir müs­sen den jun­gen Leu­ten dort beruf­li­che Aus­bil­dung und Per­spek­ti­ven bie­ten, um ihr Land zu ent­wi­ckeln und Chan­cen in ihrer Hei­mat wahr­zu­neh­men. Ein Export des dua­len Sys­tems der Berufs­aus­bil­dung gemein­sam mit dem Osna­brü­cker Hand­werk und unse­ren Berufs­bil­den­den Schu­len könn­te neue Blei­be­per­spek­ti­ven eröffnen.
Sicher­heit meint neben der inne­ren auch die sozia­le Sicher­heit. Osna­brü­ck­e­rin­nen und Osna­brü­cker müs­sen sich dar­auf ver­las­sen kön­nen, dass es auch in Zukunft bezahl­ba­ren Wohn­raum in unse­rer Stadt gibt. Der von uns initi­ier­te Beschluss, die Bedin­gun­gen für 3.000 neue Wohn­ein­hei­ten zu schaf­fen, muss des­halb mit höchs­ter Prio­ri­tät von der Stadt­ver­wal­tung dyna­misch vor­an­ge­trie­ben und rea­li­siert werden.
3.
Osna­brück 2030: Wir wol­len eine wach­sen­de, dyna­mi­sche und attrak­ti­ve Groß­stadt, die jun­ge Fami­li­en in der Stadt hält, die vom Trend “Zurück in die Stadt” pro­fi­tiert und Absol­ven­ten von Uni­ver­si­tät und Hoch­schu­le an die Stadt bin­det. Dafür brau­chen wir attrak­ti­ve Bil­dungs­an­ge­bo­te. Mit dem Haus­halt 2018 und der Finanz­pla­nung der nächs­ten Jah­re haben wir dafür die Wei­chen gestellt. Wir brau­chen dafür attrak­ti­ven Wohn­raum. Wir müs­sen im Dia­log mit den Inves­to­ren prü­fen, ob unse­re Rah­men­be­din­gun­gen zu anspruchs­voll oder auch zu büro­kra­tisch sind. Wir brau­chen schnell zusätz­li­che Woh­nun­gen im Wett­be­werb um jun­ge Fami­li­en, Stu­den­ten und Senioren.
Und wir brau­chen attrak­ti­ve und zusätz­li­che Arbeits­plät­ze. Ich bin der fes­ten Über­zeu­gung, dass wir das als Stadt nicht allein schaf­fen kön­nen. Wir brau­chen hier­für ein neu­es inter­kom­mu­na­les Kon­zept der Wirt­schafts­för­de­rung. Der Zug Fusi­on, wie sei­ner­zeit in Müns­ter, ist abge­fah­ren. Wir soll­ten des­halb auf Inte­gra­ti­on mit den nie­der­säch­si­schen und west­fä­li­schen Umland­ge­mein­den und auf eine Koope­ra­ti­on mit den Land­krei­sen Osna­brück und Stein­furt set­zen. Wir müs­sen die Mar­ke Osna­brück über­re­gio­nal gemein­sam mit unse­ren Nach­barn ver­mark­ten. Wir haben dann nicht 170.000, son­dern 300.000 Ein­woh­ner mit viel mehr Flä­chen für Indus­trie- und Gewer­beer­wei­te­rung und ‑Ansied­lung. Wir spie­len dann gemein­sam in einer ande­ren Bundesliga.
Wenn es in Osna­brück und sei­nen Umland­ge­mein­den ‑auch durch gemein­sa­me Gewer­be­ge­bie­te- zu höhe­ren Gewer­be­steu­er­ein­nah­men kommt, pro­fi­tie­ren über die Krei­se auch die wei­ter von Osna­brück ent­fern­ten Kom­mu­nen. Inte­gra­ti­on zwi­schen Osna­brück und dem Umland bedeu­tet aber nicht nur Gewer­be­för­de­rung und damit mehr Arbeits­plät­ze und Steu­ern, son­dern auch Inte­gra­ti­on durch Koope­ra­ti­on bei The­men wie Wasser/Abwasser, Ener­gie, Ver­kehr oder Bäder. Alles, was zusam­men bes­ser geht und Syn­er­gie­ef­fek­te schafft, soll­te zusam­men betrie­ben wer­den. Letzt­end­lich soll unse­re gan­ze Regi­on, das Osna­brü­cker Land von Glandorf bis Qua­ken­brück, davon profitieren.
Zu einem attrak­ti­ven Osna­brück 2030 gehört auch eine Ver­kehrs­po­li­tik mit Augen­maß. Bau­stel­len dau­ern ein­deu­tig zu lan­ge. Das wird nicht mehr akzep­tiert. Osna­brück kann sich als Ober­zen­trum Staus und Ver­kehrs­cha­os nicht leis­ten. Wir müs­sen des­halb ent­we­der berg­män­nisch oder im Zwei­schicht­be­trieb und vor allem koor­di­niert zwi­schen Stadt und Stadt­wer­ken arbeiten.
Die Sper­rung der West-Ost-Ach­se durch die Stadt, pfört­nern, Ber­li­ner Kis­sen und Tem­po 30 auf Haupt­ver­kehrs­stra­ßen sind Gift für Ein­zel­han­del und Arbeit­neh­mer, die ihre Arbeits­plät­ze errei­chen wol­len. Beim Auto soll­ten wir bei allen Ent­schei­dun­gen berück­sich­ti­gen, dass mit­tel- und lang­fris­tig die The­men Luft­ver­schmut­zung und 
Lärm kei­ne rele­van­te Bedeu­tung mehr haben wer­den. Digi­ta­li­sie­rung und Elek­tri­fi­zie­rung sind die Trends. Die Sek­to­ren Ver­kehr und Wär­me wer­den elek­tri­fi­ziert und mit dem Sek­tor Strom ver­kop­pelt. Es bleibt das Sicher­heits­the­ma. Des­we­gen brau­chen wir mehr und bes­se­re Fahrradwege.
Leis­ten wir mit unse­rer Ver­kehrs­po­li­tik den Leu­ten im Umland kein Motiv noch stär­ker in den Inter­net­han­del aus­zu­wei­chen, bau­en wir an einer lebens- und lie­bens­wer­ten Groß­stadt mit Erleb­nis­sen in Kul­tur, Ein­zel­han­del, Gas­tro­no­mie und Hotellerie.
Osna­brück muss attrak­tiv, aber auch erreich­bar für sein länd­li­ches Umfeld bleiben.
4.
Osna­brück hat ganz über­wie­gend Glück mit sei­nen Ober­bür­ger­meis­tern gehabt.
Ich habe seit Wil­li Kelch alle ken­nen­ler­nen dür­fen. Das gilt für die ehren­amt­li­chen Ober­bür­ger­meis­ter wie Ernst Weber, Carl Möl­ler oder Ursu­la Flick eben­so wie die haupt­amt­li­chen Ober­bür­ger­meis­ter Hans-Jür­gen Fip, Boris Pis­to­ri­us und Wolf­gang Grie­sert. An allen hat es Kri­tik gege­ben, aber alle haben die Stadt vor­an­ge­bracht. Osna­brück ist auf einem guten Weg. Der Abzug der Bri­ten ist für die Zukunfts- und Wett­be­werbs­fä­hig­keit Osna­brücks opti­mal genutzt wor­den. Die Ein­woh­ner­zah­len stei­gen und damit die Ein­nah­men. Wir kön­nen wie­der stär­ker inves­tie­ren, vor allem in unse­re Kin­der, unse­re Zukunft. Gleich­zei­tig kon­so­li­die­ren wir den Haushalt.
Rat und Ober­bür­ger­meis­ter soll­ten die­sen Weg gemein­sam mit der Zivil­ge­sell­schaft und der Ver­wal­tung wei­ter kon­struk­tiv fortsetzen.