Die SPD-Forderungen des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, nach sofortigem Rücktritt des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff sind scheinheilig und Ausdruck zunehmend verrohter Umgangsformen. Die Sach- und Rechtslage ist eindeutig. Und dennoch tritt die SPD in Berlin das höchste deutsche Staatsamt mit Füßen. Das Verhalten führender Sozialdemokraten in Berlin ist nicht in Ordnung.
Die Kandidatur zur Wahl des Bundespräsidenten aus einem bestehenden öffentlichen Amt heraus ist ein völlig normaler und rechtlich einwandfreier Vorgang.
Beispielsweise kandidierte auch Johannes Rau 1994 als amtierender nordrhein-westfälischer Ministerpräsident für das Bundespräsidentenamt.
Weitere Beispiele sind Theodor Heuss als Bundestagsabgeordneter und FDP-Bundesvorsitzender, Heinrich Lübke als Bundestagsabgeordneter und Bundesminister, Gustav Heinemann als Mitglied des Bundestags und Bundesminister, Walter Scheel als Bundestagsabgeordneter und Bundesminister, Karl Carstens als Bundestagspräsident.
Den Verzicht auf sein Landtagsmandat hat Christian Wulff am Freitag aufgrund der besonderen niedersächsischen Rechtslage* erklärt. Damit hat er einen positiven Beitrag geleistet, um weiteren unwürdigen Diskussionen entschieden entgegenzutreten.
*) Im niedersächsischen Landtag gab es in dieser Woche eine juristische Auseinandersetzung über Frage, ob der Mandatsverzicht eines Landtagsabgeordneten im Moment der Erklärung oder erst nach Bestätigung des Verzichts durch den Landtag rechtsgültig ist. Da der Bundespräsident weder über ein Amt noch ein Mandat verfügen darf, wäre es Christian Wulff im letzteren Fall nicht möglich gewesen, die Wahl zum Bundespräsidenten in der Bundesversammlung sofort anzunehmen. Sein Verzicht auf das Landtagsmandat wäre zu diesem Zeitpunkt nicht durch den Landtag bestätigt. Wegen der ungeklärten Rechtslage hat Christian Wulff sein Landtagsmandat bereits am Freitag niedergelegt. Der Landtag hat die Mandatsniederlegung einstimmig festgestellt. Damit hat Christian Wulff einen Beitrag zur Rechtssicherheit geleistet und dafür gesorgt, dass es der Opposition nicht gelingen kann durch Thematisierung des Themas dem Amt des Bundespräsidenten weiteren Schaden zuzufügen.